Die Enthüllungen der „größten Turnerin aller Zeiten“ Simone Biles in ihrem Tweet im Januar 2018 und die Anschuldigungen des FBI im September 2021 belegen, dass es ein riesiges Missbrauchsproblem im Sport gibt. In den USA hatte der Mannschaftsarzt Dr. Larry Nassar jahrelang mehrere hundert Mädchen missbraucht. Selbst das FBI hat mitgeholfen, diese Taten zu decken, indem Aussagen der Mädchen vertuscht wurden oder Angaben nicht nachgegangen wurde. Die deutschen Turnerinnen tragen seit 2021 Ganzkörperanzüge, um sexuelle Ausstrahlung zu vermindern. Aber es gibt laut eines Artikels der Sportschau kaum eine Sportart, die nicht von Missbrauch betroffen ist. Im Mai 2021 tagte zu diesem Thema schon eine Anhörung im Sportausschuss des Bundestages.
„Sexueller Missbrauch ist allgegenwärtig, Sport ist aufgrund seiner Strukturen ein ideales Spielfeld für Täter und Täterinnen“, so Julia von Weiler, Vorstand von Innocence in Danger Deutschland. „Wir müssen lernen, besser hinzuschauen und wir müssen zulassen, das Schlimmste zu denken. Oft wollen wir uns Missbrauch nicht vorstellen und gehen Anzeichen nicht nach. Das gibt den Tätern freies Feld.“ Wie das „eiskalte Händchen“ der Addams Family klebt die Hand des Missbrauchs an den Körpern der Sportler*innen. „Wir wollen bildlich zeigen, dass Missbrauch nicht abzuschütteln ist, er hängt den Betroffenen jahrzehntelang nach und beeinflusst sie in ihrem Sport und ihrem Leben“, erklärt Johannes Krempl, Geschäftsführer Kreation von glow communication in Berlin. Die Motive erscheinen in den sozialen Medien.
Antje Jungmann, Pressesprecherin des VDZ hat Johannes Krempl, Gründer und CCO der Agentur glow interviewt über Pressefreiheit, Purpose und die sei 2015 laufende Kampagne für Pressefreiheit.
AJ: Mit Ihrer Agentur Glow sind Sie seit 5 Jahren unser Kreativ-Partner der Pressefreiheits-Kampagne. Was bedeutet Ihnen dieses Engagement?
JK: Die Wichtigkeit von Pressefreiheit spürt man erst, wenn sie gefährdet ist. Wenn Presse pauschal als „Fake News“ oder Lügenpresse diskreditiert wird, wenn Journalisten bedroht, verfolgt und getötet werden, wenn Redaktionen attackiert werden, merkt man, wie wenig selbstverständlich sie ist. Apropos: Das Positive an Trump ist, dass er uns vor Augen führt, wie wenig selbstverständlich all das ist, was wir vor drei Jahren als selbstverständlich erachtet haben.
Der VDZ gehört mit seiner Kampagne für die Pressefreiheit zu unseren Lieblingskunden. Wenn man sich mit dem Thema beschäftigt, spürt man, dass Pressefreiheit grundlegend ist — nicht nur für unsere Arbeit als Kommunikationsagentur, sondern für Politik, Wirtschaft, für unser ganzes alltägliches Leben.
AJ: Was gefällt Ihnen an der Kampagne selbst am besten, woran erinnern Sie sich besonders gern in den letzten 5 Jahren?
JK: Am spannendsten war das erste Motiv. Einen Tag nach dem Attentat auf die Redaktion des Pariser Satiremagazins Charlie Hebdo rief mich Peter Klotzki, damals Geschäftsführer Kommunikation des VDZ an, um mit mir zu beratschlagen, wie der Verband der Deutschen Zeitschriftenverleger reagieren könnte. Ein direkter Angriff auf die Presse im Nachbarland. Wir wollten es aber nicht bei einer Solidarisierung belassen, sondern Einigkeit zeigen. In nur 24 Stunden entwickelten wir Motivvorschläge. Umgesetzt wurden zwei Motive, ein Typomotiv und ein weiteres Motiv. Es zeigt neben einem gebrochenen Bleistift, dem Symbol des Angriffs, ein ganzes Bündel Bleistifte, die dadurch unbrechbar sind. Ein Symbol für die Einigkeit des Verbands.
AJ: Was empfehlen Sie Kunden, die sich gern etwas mehr „Purpose“ verleihen wollen?
JK: Die Kampagne für Pressefreiheit hat die durchaus heterogenen Mitglieder des VDZ (kleine Verlage vs. große Verlagshäuser, Fachverlage vs. Publikumszeitschriften, Goldenes Blatt vs. Der Spiegel) hinter einem gemeinsamen Thema vereint und so dem Verband eine große sichtbare Klammer gegeben. Purpose ist ein relativ neuer Begriff im Marketing, aber ein grundlegender. Purpose fordert, dass sich ein Unternehmen zu einem großen Ziel bekennt, das mehr sein muss als Geld verdienen. Purpose ist auch eine Forderung der Mitarbeitenden. Sie wollen Sinn in ihrer Arbeit spüren, mehr sein als Teil einer Geldmaschine. Insofern ist ein guter Purpose eine große Motivationsmaschine, um Mitarbeitende zu binden und ihnen jeden Tag bei der Arbeit ein gutes Gefühl zu geben. „Ich bin Teil von etwas Sinnvollem.“ Dieses Gefühl stellt sich bei den Verbandsmitgliedern und Gästen spätestens bei der Verleihung der Goldenen Viktoria für Pressefreiheit ein.
AJ: Im weitesten Sinne zählen Sie als Agentur auch zu den „Werbern“/Werbetreibenden? Was bedeutet Ihnen Pressefreiheit als „Werber“?
JK: Als Kreative loten wir ständig die Spielräume aus, die sich bieten. Wir sind auf Freiheit angewiesen. Im Moment gibt es allerdings trotz Pressefreiheit viele Dinge, die man nicht sagen darf oder schwer sagen kann. Die Genderdebatte ist spannend und herausfordernd. Einerseits wissen wir, wie Sprache wirkt und dass männliche Sprache männliches Denken stützt. Andererseits hat man sich noch nicht auf neue genderneutrale Formen geeinigt. Wir müssen hier eine neue Sprache erarbeiten, in der wir wieder frei reden können.
AJ: Bei aktuellen Debatten könnte man meinen, dass die Politik kein Vertrauen in ihre „mündigen Bürger“ hat, fast alles reglementieren will. Bleibt der mündige Bürger auf der Strecke?
JK: Pressefreiheit ist eine Zumutung. Wie soll man denn die Welt verstehen, wenn man Dinge so und auch anderes sehen kann? Wenn man sich streiten kann und muss, um zur Wahrheit zu finden. Mehr und mehr Menschen fühlen sich verunsichert von der Freiheit und suchen einfache Wahrheiten. Wollen an die Hand genommen werden. Aber Pressefreiheit und Meinungsfreiheit müssen wir auch aushalten. Und der Staat muss aushalten, dass diese Freiheit auch genutzt wird, es zu Kontroversen führt.
AJ: In die Zukunft geblickt: Gibt es schon neue Ideen und Ansätze für Motive 2021? 😉
JK: Wir haben 2021 Bundestagswahl. Da spielt Presse und Meinungsfreiheit eine große Rolle. Zumal die Publishers Night und die Verleihung der Goldenen Viktoria in die Wahlzeit fällt und wir eine neue Bundeskanzlerin oder einen neuen Bundeskanzler haben werden. Tatsächlich haben wir schon einige schöne Motive gehabt und es wird nicht leichter, Motive auszudenken. Aber eine gute Kampagne ist wie guter Wein: Sie wird mit der Zeit immer besser.
„Eine Gesellschaft, in der behindert, schwul und Gutmensch Schimpfwörter sind, hat ein Problem.“ Dieses Zitat der Aktionskünstler*in Barbara beschreibt treffend das deutsche Dilemma 2020. Der Deutsche Caritasverband und die Berliner Agentur glow wollen das nicht hinnehmen und besetzen den Begriff „Gutmensch“ mit der Caritas-Kampagne 2020 wieder positiv.
„Wer Anderen Gutes tut und sein Handeln auf das Gemeinwohl ausrichtet, darf nicht verunglimpft werden“, betont Caritas-Präsident Peter Neher zum Start der Caritas-Kampagne 2020 „Sei gut, Mensch!“